“The world is a dangerous place to live in; not because of the people who are evil, but because of the people who don’t do anything about it.”
(Albert Einstein – refugee from Nazi Germany)

Monday, August 15, 2011

Ungarns Großer Sprung nach vorn


Eine vollständige Übersetzung der eigenartigen Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die er am 24.7.2011. während der Sommerakademie Tusványos 2011 gehalten hat,(1,2) wurde am 8.8.2011. von Adam Majorosi (Stargarten) veröffentlicht .(3) Untenstehend im farbigen Feld übernehmen wir das ganze Dokument. Herr Majorosi publizierte am 10.8.2011. in seinem Blog auch eine kurze Analyse(4) der Ideologie der Fidesz-Partei im Lichte der Rede des Ministerpräsidenten mit der Überschrift Ungarns Großer Sprung nach vorn – eine klare Anspielung auf Orbáns besondere Beziehungen mit der VR China.

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Rede des ungarischen MP Viktor Orbán während der Veranstaltung TUSVÁNYOS 2011, gehalten in Baile Tusnad (ungarisch: Tusnádfürdő, Siebenbürgen), Rumänien 24.7.2011. Originaltext aus der Internetveröffentlichung des Veranstalters. Übersetzung: Adam Majorosi, 8.8.2011. © 2011, Verwendung frei mit Quellenangabe: Stargarten.

Anmerkung des Übersetzers: Der Text ist relativ genau übersetzt und klingt deshalb im Deutschen manchmal holprig. Damit soll aber eine höchstmögliche Authentizität erreicht werden, weil die Wortwahl und die Art der Satzbildung sowie einige Ausdrücke besonders gut den Charakter und den Unterton der Rede wiedergeben. In Klammern [] gesetzte Worte sind wörtliche Übersetzungen, die im Deutschen keine passende Entsprechung haben bzw. sind Ergänzungen, damit der Text flüssig gelesen werden kann.

Redetext:

Erlauben Sie mir, dass ich Sie höflich und herzlich hier begrüße! Danke auch Dir, Zsolt, für die Gelegenheit, in diesem Jahr hier sprechen zu dürfen. Dem Herrn Bischof danke ich für seine prominente Gesellschaft.

Wir wissen alle, dass der Termin der Sommerakademie schon am Jahresanfang in meinen Terminkalender kommt, und ich stehe damit nicht alleine da. Daran können wir wahrscheinlich ersehen, dass wir alle einen festen Bezugspunkt bzw. feste Punkte im Leben brauchen, und dass wir in einer Welt leben, in der es immer weniger feste Bezugspunkte gibt. Auch solche festen Punkte, wo verlässliche Treffen zustande kommen, und über solche können wir uns freuen. Daher ist die Sommerakademie stets eine besondere Gelegenheit für die aus Ungarn Angereisten.

In dieser Sommerakademie pflegen wir regelmäßig über die Zukunft der Nation nachzudenken. Das ist auch heute nicht anders. Ich werde das auch tun. Die Frage indes ist, wie jene Perspektive aussieht, aus der wir auf die Nation blicken und auf die Zukunft der Ungarischen Nation. Mehrere Möglichkeiten eröffnen sich, wenn wir eine Perspektive wählen wollen. Die erste enge, aber zweifellos naheliegende Perspektive kann man so beschreiben, dass in Ungarn eine internationalistische Regierung gegangen und eine nationale Regierung gekommen ist. Eine weitere mögliche Perspektive klingt so, dass eine Wirtschaftskrise in der westlichen Welt Einzug gehalten hat und wir jetzt die Richtung für den Ausweg suchen. Ich wähle nicht diese Perspektiven, sondern werde versuchen, einen höheren Horizont zu skizzieren, der auf der Behauptung fußt bzw. sich daraus abzeichnet, dass die Welt sich in einer Zeitenwende befindet. Was wir heute erleben, in allen Nachrichten sind es die Hauptmeldungen, ist, dass eine wirtschaftliche Wende die Westliche Welt erschüttert. Nach meiner Auffassung sind dies die Wellen dieser Zeitenwende, und sogar die ungarische Zweidrittel-Revolution [ist] in Wahrheit die Konsequenz der in dieser Welt stattfindenden Zeitenwende.

Über diese Gedanken wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits Dutzende von Bücher geschrieben. Ich wage in aller Bescheidenheit nichts anderes als diese langsam zu einer Bibliothek anwachsende Literatur in zwanzig Minuten zusammenzufassen.

Der Ausgangspunkt für die Ungarn, wenn sie es aus der Sicht der in der Welt gerade stattfindenden Zeitenwende verstehen wollen, welches ihre Möglichkeiten sind; [also] der Ausgangspunkt für die Ungarische Nation kann nichts anderes sein als die Bewertung der vergangenen hundert Jahre.

Wenn wir auf die vergangenen hundert Jahre zurückblicken, dann können wir sagen, dass die Ungarische Nation diese Hundert Jahre fast ausnahmslos in einem widernatürlichen Zustand verbracht hat: Nichts war so, wie wir es gerne gehabt hätten, und nichts war so, wie es unserer Auffassung nach natürlich gewesen wäre.

Bis zum zweiten Weltkrieg haben wir in einem widernatürlichen Staatengebilde gelebt, die entrissenen Gebiete haben in anderen widernatürlichen Staatengebilden gelebt, und in Ungarn haben in einem feindlichen Umfeld dafür gekämpft, dieses widernatürliche Staatsgebilde lebensfähig zu machen. Das ist vieles, aber es nicht die Ordnung eines normalen Lebens. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Besatzung und Diktatur. Ich möchte unterstreichen – nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Diktatur, was uns zum Beispiel nach Ende der politischen Diktatur in eine schwierige Lage gebracht hat. Im Hinblick darauf, dass die früheren Diktaturen in Europa politischer Natur waren – ob wir an das deutsche System zwischen den beiden Weltkriegen denken oder an die parallel zur kommunistischen Diktatur existierende südeuropäische Diktatur – war die Verstaatlichung des Wirtschaftssystems, die völlige Zerschlagung der Privatwirtschaft in Europa einzigartig. Nach 1990 begann das Zeitalter der globalen Märkte und der globalen Mächte, und obwohl sich die Lage in Ungarn in mancher Hinsicht günstiger entwickelte, bedeuteten die vergangenen zwanzig Jahre für uns, dass sich Ungarn verschuldete, den Großteil seines nationalen Reichtums verlor, dass der Niedergang der Demographie sich fortsetzte, gar beschleunigte, dass die Nation als Ideal in den Hintergrund getreten bzw. verkümmert ist, und dass sich dieser Schrumpfungsprozess beschleunigt hat.

Deshalb hat sich bei den Menschen in erster Linie das Gefühl ausgebildet – bei den älteren seit bald hundert Jahren, bei den Jüngeren nur seit 20 oder 30 Jahren – dass wir laufend benachteiligt werden. Von hier aus lohnt ein Blick auf jene Zeitenwende, die gerade jetzt in der Welt vonstattengeht.

Die Frage, die ich heute beleuchten möchte klingt so: Wird sich die Rolle der Nation in der meiner Meinung nach gerade zu Ende gehenden alten und an dessen Stelle geschaffenen neuen Welt ändern, wird die Zeit der Nation kommen?

Ich spreche jetzt nicht von der ungarischen Nation, sondern allgenmein aus dem Verständnis von Nationen weltweit, ihren Auffassungen und Ordnungen. Freilich mögen manche es als Übertreibung empfinden, wenn ich die Zeitenwende erwähne, aber meiner Meinung nach lässt sich der Eindruck, dies sei eine Übertreibung, darauf zurückführen, dass der Mensch vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Also wenn wir inmitten von etwas leben, dann ist alles, was mit uns geschieht, all die größeren Zusammenhänge darin, in diesem täglichen Strom ziemlich schwer zu erkennen.

Wenn jemand nur auf das zurückliegende eine Jahr zurückblickt, nur darauf, was in einem Jahr geschah, seit wir uns hier zuletzt trafen, dann kann er sehen, dass die Veränderungen in einem solchen Tempo vonstattengehen, dass die Behauptung, die Welt, jedenfalls die westliche Welt, gehe durch eine Zeitenwende, rechtfertigt ist.

Zählen wir einfach auf! Vor einem Jahr sprach man vom Ende der Finanzkrise in der westlichen Welt. Dagegen ist Griechenland jetzt zusammengebrochen, und wir sehen jetzt, dass die Länder am Rande der Europäischen Union, die auch Mitglied der Eurozone sind, langsam aber sicher beginnen, vom Kern Europas abzufallen [abzureißen]. Irland ist in Not geraten, Portugal ist in Not geraten, Griechenland ist in Not geraten, blättern Sie die Zeitungen auf: Sie werden über Italien und Spanien lesen. Es ist gut zu erkennen, dass eine ganze, sagen wir es so, dass die Peripherie oder der äußere Rand des Europäischen Kontinents sich gerade auf eine andere Ebene der Entwicklung stellt als die inneren Teile Europas. Das ist alles die Entwicklung des vergangenen einen Jahres. Blättern Sie die Zeitung auf, und Sie werden sehen, dass Präsident Obama gestern davon sprach, man müsse die im amerikanischen Steuergesetz gesetzlich festgeschriebene Schuldenobergrenze erhöhen, weil man sonst keine neuen Kredite aufnehmen könne. Über Afrika ist im vergangenen Jahr – ich spreche vom Arabischen Streifen – eine revolutionäre Welle hinweggefegt. Aus Japan ausgehend ist als Ergebnis einer Naturkatastrophe die Zukunft der gesamten Atomenergie, die in Europa eine besondere Bedeutung hat, in Frage gestellt worden. Indes kann man den Vorwärtsdrang Chinas aus dem Blickwinkel des weltwirtschaftlichen Gewichts als ungebrochen bezeichnen. Diese Entwicklungen haben alle innerhalb eines Jahres stattgefunden.

Daher empfinde ich es nicht als Übertreibung zu behaupten, dass diese raschen und tiefgreifenden Veränderungen in der Tat einen Abschnitt in einer völlig neuen weltpolitischen und wirtschaftspolitischen Ära bedeuten. Zwischen den großen Veränderungen gibt es aber auch eine kleine gute Nachricht, eine freilich international kleine Nachricht, aber aus der Sicht unseres Lebens wichtigste, nämlich dass wir Ungarn noch vor einem Jahr zu den Ländern zählen mussten, die auf eine Sandbank zutrieben, jetzt aber unter den Ländern wähnen dürfen, die sich von der Sandbank wieder entfernen. Insgesamt ist der Horizont des Westens dunkler [geworden] und es gibt nicht weniger, sondern mehr Gewitterwolken am Himmel.

Der Ausgangspunkt meiner Rede ist, dass wir alle an der Schwelle zu einer neuen Epoche stehen. Die Gültigkeit ewig geltender Wahrheiten ist gekippt, ehemals stark geglaubte Länder sind schwach geworden, aus schwach geglaubten wurden starke, und es ist leicht sichtbar, dass unsere in der westlichen Welt über Jahrzehnte entstandene, alte Lebensweise ganz einfach unhaltbar geworden ist. Die Zeitenwende, ich sehe es so, sie wird mit dem Zusammenbruch der vorangegangenen geschichtlichen Epoche einhergehen, das heißt wir werden nicht in eine neue Zeit des Wachstums eintreten, wir werden nicht von einer in die andere Zeit durchbrechen, sondern ein Zusammenbruch wird geschehen, und von dort wird es einen Neubeginn geben. Der Grund des Zusammenbruchs ist ziemlich einfach. In ein Wort gefasst könnten wir sagen: Verschuldung bzw. Staatsverschuldung.

Die Staatsschulden steigen unaufhörlich in den westlichen Staaten und übersteigen jene Grenze, bei der es für jedermann offensichtlich ist, dass man sie nicht mehr zurückzahlen kann. Das ist die Situation, die – ich verweise erneut auf die Nachrichten – Sie tagtäglich im Zusammenhang mit Griechenland zu hören bekommen. Daher muss man immer wieder Rettungspakete für Griechenland bereitstellen, weil jeder weiß, dass die Schulden jenes Niveau erreicht haben, wo man sie nicht mehr zurückzahlen kann. Die Frage ist nur noch, wie können wir es auf keinen Fall eingestehen, dass das Land in die Insolvenz geraten ist und wie können wir so tun, als ob es weiterhin Sinn ergeben würde, die Schulden abzuzahlen. Wenn sich jemand die Wirtschaftszahlen anschaut, sieht er genau, dass angesehene, früher stark geglaubte Staaten sehr leicht in eine solche Situation geraten können. Griechenland ist umgekippt, täglich können wir die Analysen über Irland lesen, über Portugal, und wir sehen auch andere Gefahrenquellen, zumal auch Italien und Spanien als Länder erwähnt werden, die in Schwierigkeiten geraten sind, und dann möchte ich Ihnen auch sagen, dass es nicht falsch ist, auch Belgien zu beobachten.

Wenn wir uns ansehen, wie die Vereinigten Staaten vermeiden, dass ihre Staatsverschuldung in einen nicht rückzahlbaren Bereich wächst, dann sehen wir alle, dass sie eine solche Methode anwenden, die niemand anderes anwenden kann, das heißt sie drucken Dollars, weil sie eine Weltwährung haben. Anders wären auch sie schon längst umgekippt. Das Wesentliche meiner Botschaft ist also, dass ich glaube, die Zeitenwende werde mit einer einheitlichen Erschütterung, mit einem einheitlichen Zusammenbruch geschehen, weil es kein Rezept dafür gibt, wie man die in unbezahlbare Höhen geratene Staatsverschuldung rückzahlbar machen [zaubern] könnte. Daran arbeiten freilich sehr viele, arbeiten wir, aber einstweilen sehe ich kein anderes ermutigendes Signal als Begeisterung und Entschlossenheit.

In der Regel denken die verschuldeten Staaten, auch wir Ungarn, an nicht zurückzahlbare Steuern mit einem Achselzucken. Wir tun schlecht daran. Eine Steuerkrise trifft auch uns schwer. Man kann das ganz einfach zu Ende denken, weil wenn jemand seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, dann gerät er in Konkurs. Das bedeutet für ihn, dass die anderen, die ihm einen Kredit gegeben haben, ihr Geld nicht zurückbekommen werden, und auch sie werden Bankrott gehen. Wenn sie Bankrott gehen – das sind meist Banken und Geldinstitute – dann gehen auch diejenigen Menschen pleite, die ihre Einlagen den Banken gegeben haben, weil entgegen der allgemeinen Vorstellung in Ungarn die Banken nicht ihr eigenes Geld umwälzen, sondern das, welches wir ihnen geben. Wenn also dieses Umfallen geschieht, über das ich gerade spreche, dann kommt alles ins Schwimmen: die Staatsverschuldung kommt ins Schwimmen, die Schuldner des Staates kommen ins Schwimmen, und die Privatpersonen mit Bankeinlagen kommen ins Schwimmen.

In dieser Welt kennen wir nur ein dafür geschaffenes Rezept. In diesen Fällen geschah in der Regel die Abwertung der nationalen Währung, und in diesen Fällen stand die Inflation vor unserer Tür. Das nenne ich eine zusammenbruchartige Zeitenwende oder das Ende der nun zu Ende gehenden Epoche. Wenn sich jemand die innere Struktur der griechischen Krise ansehen würde, dann würde er sehen, dass bald sechzig Prozent dieser Verschuldung französische Banken und dreißigund Prozent deutsche Banken innehaben. Die griechische Krise ist also nicht nur ein griechisches Problem, sondern ein eines von ganz Europa.

Die zweite Frage, die eine Beschäftigung lohnt ist: Wie können wir die scheidende Ära beschreiben, also was ist das, was zu Ende geht? Meiner Meinung nach ist dies eine Epoche, deren bestimmender Gedanke war, der Fortschritt sei unumkehrbar, sei fortwährend. Kann sein, dass er sich manchmal verlangsamt, aber dass die Welt durch gleichmäßiges, fortwährendes Wachstum, durch eine stete Aufwärtsentwicklung ihr Leben lebt, das war ein unanfechtbarer Glaubensgrundsatz. Dessen Konsequenz war zugleich der Gedanke, dass das wirtschaftliche Wachstum und der damit einhegende Konsum beliebig zu steigern seien. Als Ergebnis dessen wandelte sich der wirtschaftliche Wettlauf langsam in einen Konsumwettlauf. Im Westen hat dieser zweifelsfrei stetig wachsende Konsum die Wirtschaftspolitik der vergangenen zwanzig, dreißig, na vierzig Jahre bestimmt. Zugleich sehen wir, dass der Konsum und der zum Konsum notwendige Wohlstand und ihre Ressourcen nicht in gleichem Maße [mit]gewachsen sind. Daraus entstand die Situation der ungedeckten Kredite und des ungedeckte Konsums. Dessen Ergebnis war, dass die westeuropäischen Staaten mehrheitlich auf eine unhaltbare Ebene gelangt sind, die Zukunft der jungen Generation ist bereits verpfändet, weil die Staatsverschuldung nichts anderes ist als eine Summe, die später einmal jemand wird zurückbezahlen müssen. Die griechischen Schulden wurden eben von acht auf dreißig Jahre gestreckt, was bedeutet, die griechischen Jungen werden sie abbezahlen müssen, und jedes Land, das auf den griechischen Weg gerät, wird damit rechnen müssen, dass noch ihre Kinder und Enkelkinder unter diesen Schulden ächzen werden. Als Dreingabe wurde die sinngebende Arbeit, wurden die Produktionskapazitäten abgewertet, so ist dieses Schuldenmeer entstanden.

Ich denke daher, dass wir am Ende der westlichen Konsum- und Wohlstandsgesellschaft angelangt sind. Von nichts Geringerem ist hier die Rede als dass die Welt, in deren Werterahmen wir bislang unsere Leben gelebt haben, alle die Worte, die Gesetze, Schriften, mit denen wir diese Welt beschreiben, die uns umgibt, langsam aber sicher ihre Bedeutung verlieren, vielmehr die Wohlstandsgesellschaft genannten Konsumgesellschaften im Westen am Ende sind.

Die Frage ist nicht, was mit diesen Konsumgesellschaften sein wird, sondern die Frage ist, was danach kommen wird? Sicher sind noch viele unter uns, die sich aus dem Unterrichtsstoff der Realschule daran erinnern, dass am Ende der Ära Roms die Frage nicht lautete, was wird mit Rom, sondern was kommt nach Rom? Das ist in etwa der Gedanke, mit dem wir uns der uns erwartenden Zukunft nähern sollten.

Allerdings, wenn wir über die vor uns stehende Zukunft nachdenken, müssen wir eine gebührende Vorsicht walten lassen, denn hier öffnet sich ein weites Feld für obskure Wahrsager und Scharlatane. Was wir hier brauchen, wenn wir die vor uns liegende neue Epoche begreifen wollen, ist jenes Maßhalten, in erster Linie das intellektuelle Maßhalten, die Zügelung der Fantasie, die Umsetzung der Weisheit ‚zweimal messen, einmal schneiden‘, bevor wir irgendeinen Spruch über die Zukunft sagen. Zugleich können wir auch nicht abwarten, dem Fortlauf der Veränderung in einem hypnotisierten Zustand, verzaubert und starr zusehen, wir dürfen nicht zu passiven Leidtragenden der jetzigen Ära werden, stattdessen sollten wir zu handelnden Teilnehmern werden, das heißt Maßhalten und eine sichere Hand sind das Gebot der Politik, und sie gilt es umzusetzen.

Lassen Sie uns mit gebührendem Maßhalten ansehen, was wir über diese neue Epoche wissen, die jene ablöst, die gerade zu Ende geht. Die erste Sache, die wir sicher wissen ist, dass der Staat eine nahezu neue Rolle in der Wirtschaft spielen wird, denn die Schulden können nur mit staatlichen Werkzeugen zurückgezahlt werden. Zu allererst deshalb, weil es um Staatsschulden geht. Wir können an der ersten Welle 2008er Krise anderswo sehen, dass wenn das Privatkapital in eine Zahlungskrise gerät, dann muss plötzlich der Staat einspringen: das nannte man Bankenrettungsaktion quasi auf der ganzen Welt.

Also die Begleichung der Schulden wird ohne entschlossenen staatliche Willen nicht gehen. Die Rückführung der aus dem Arbeitsmarkt herausgefallenen Menschen in die Arbeitswelt, also direkt in den Arbeitsmarkt, wird nicht ohne den Ausbau von Zwischenstationen – nennen wir sie gemeinnützige Arbeit – gehen, die nur der Staat schaffen kann. Auch die notwendigen Werkzeuge gegen die gerade aus dem Arbeitsmarkt herausfallenden Menschen, gegen Werksschließungen oder Personalabbau sind einzig in der Hand des Staates, können also auch nur mit staatlicher Beteiligung erfolgen. Schließlich wird sich die Wirtschaft nicht umorganisieren, der Staat muss die Wirtschaft umgestalten – anstatt der Wohlfahrtsstaaten wird Europa eine auf Arbeit gegründete Gesellschaftsordnung benötigen, und auch die dazugehörende Umstellung wird nur mit staatlichen Anstrengungen und Teilnahme erfolgen.

Gleichzeitig müssen wir gebührende Vorsicht zeigen, wenn wir über die zukünftige Rolle des Staates nachdenken und der Staat – im Gegensatz dazu, was die Linken in den vergangenen hundert Jahren gedacht haben – in sich kraftlos ist. Der Staat ist nur kraftvoll, wenn seine Berufung klar ist, seine Dienste klar sind, die er auszuführen hat, und seine Verantwortung klar ist, die er tragen muss. Wenn keine Berufung, kein Dienst und keine Verantwortung hinter dem Staat stehen, dann ist der Staat umsonst groß, in Wirklichkeit ist er kraftlos und verwundbar, er wird korrupt, er wird parteiisch, er gerät unter den Einfluss von Interessengruppen, und zugleich wird er verschwenderisch und eigennützig und er wird bürokratisch. Die Quintessenz des Gesagten ist, dass die Rolle des Staates in der neuen Zeit wachsen wird, dass er diese aber nur dann ausfüllen kann, wenn hinter ihr eine Gemeinschaft steht, der der Staat Verantwortung schuldet, der er dienen muss, und in deren Kohärenz [Zusammenhang] die Bestimmung des Staates fassbar wird. Und hier sind wir bei der Nation angelangt.

Die Sache ist, dass man in der neuen Zeit nur dann einen erfolgreichen Staat errichten kann, wenn hinter dem Staat eine starke Nation steht, eine solch selbstbewusste Gemeinschaft, der der Staat mit seiner Arbeit dient. Anders gesagt ist die Nation als eigenverantwortliche Gemeinschaft der Rückhalt des Staates, die wahre Kraft schöpft der Staat aus der Nation, und der Staat ist nichts anderes, als das Werkzeug, um die Berufung durch die Nation zu erfüllen.

Was bedeutet das für Ungarn?

Ungarn hat alle überholt – ich will nicht sagen, dass alle Entscheidungen immer vollkommen durchdacht waren – aber Ungarn hat alle Europäischen Staaten teilweise wissentlich, teilweise unbewusst überholt und die richtigen Antworten auf jene Zeitenwende gegeben, an deren Türschwelle wir heute stehen. Denn der Zusammenhalt und die Einheit ergeben nur dann einen Sinn, wenn sie sich in politischer Willensbildung ausdrücken können. So haben die Ungarn bei den Wahlen 2010 nach meiner Meinung aus dem Bauch heraus für die Zeitenwende entschieden, dafür dass wir hier eine nie gekannte Einheit und einen Zusammenhalt herstellen müssen, die wir in der Sprache der politischen Publizistik einfach nur ‚Zweidrittelrevolution‘ nennen.

Die Ungarn haben klar verstanden, dass die vorherige ungarische Welt bankrott gegangen ist und nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Denken Sie es zu Ende! Ein Zweidrittel-Wahlsieg, eine neue Verfassung und die vorausgegangene Verfassungskonsultation, der Aufbau eines völlig neuen Wirtschaftssystems, zuvor die sozialen Beratungen, an denen Millionen teilnehmen, das alles zeigt, dass sich etwas verändert in Ungarn. Und dazu noch in Richtung von erstarkendem Nationalgefühl, und damit meine ich jetzt nicht eine nationale Ideologie, sondern die Erkenntnis, dass nur eine selbstverantwortliche Gemeinschaft in den kommenden Jahrzehnten auf ihren [eigenen] Füßen stehen kann.

Dessen Anerkennung drückt sich aus in den Wahlen, in der Verfassung, in den Verfassungskonsultationen, in den Sozialberatungen. Diese Dinge haben eine noch tiefere Ebene, die eine noch ernsthaftere Veränderung bedeutet, als wir es in den Alltagsgesprächen denken. Denn aus diesen Wahlergebnisse und Konsultationen stellt sich ganz klar heraus, dass die Ungarn kämpfen wollen. Sie wollen nicht dulden, was geschieht, sie wollen nicht klein sein und sich irgendwie zum Zwecke des Überlebens anpassen wie es so oft geschah, sondern sie wollen kämpfen. Aus den Entscheidungen ist ganz klar zu erkennen, dass sie kämpfen wollen gegen die Staatsverschuldung, kämpfen wollen gegen die Arbeitslosigkeit und kämpfen wollen gegen die ungerechtfertigten staatlichen Zuschüsse.

Das heißt die Ungarn wollen zu Hause gegen solche Dinge kämpfen, die uns in der Vergangenheit erfolglos, kleinmütig und glücklos haben werden lassen, aber wir haben all diese Dinge dennoch ertragen, wir waren bereit, damit zu leben, haben einen Teil unseres Lebens damit verbracht. Diese Epoche ist vorbei. Die Ungarische Nation war schon sehr lange, der ungarische Teil der ungarischen Nation war schon lange nicht in einem so entschlossenen und tatkräftigen Zustand, wie man aus den hier aufgezählten Zeichen klar sehen kann.

Also, meine verehrten Damen und Herren! Deshalb schreitet Ungarn heute nicht auf dem Griechischen Pfad, sondern auf dem Weg einer einzigartigen Erneuerung. Zählen wir doch die aus dieser politischen Antwort erwachsenden Entscheidungen auf, die im vergangenen Jahr in Ungarn auf den Weg gekommen sind: doppelte Staatsbürgerschaft, neue Verfassung, ein neuer Umgang mit öffentlichen Lasten, Bankensteuer, Krisensteuer, die Rückführung des Rentensystems in die Hand der Gemeinschaft, Steuersenkung und das Anhalten des demografischen Abwärtstrends sowie eine Reihe von Maßnahmen zur Umkehr zugunsten einer familienfreundlichen Wirtschaftspolitik.

Ich will nicht sagen, meine verehrten Damen und Herren, dass diese Art von nationaler Einheit eine Einheit ohne Auseinandersetzung bedeutet. In Ungarn und auch innerhalb der Nation wartet noch eine Menge hitziger [scharfer] Debatten auf uns. Denn die hinscheidende [wortgleich mit: herausragende] Epoche besaß einen Geist und dieser eine Elite, der diesen Geist, bzw. die Interessen dieser Elite vertrat. Deshalb herrscht in Ungarn ein ständiger Streit zwischen dem von der neuen Welt kündenden nationalen und wirtschaftlichen Aufbau und den Vertretern der alten Regeln und alten Wahrheiten. Das ist verständlich, denn die gerade zurückgedrängten Eliten wurden eben durch diese alten Regeln und alten Wahrheiten erfolgreich, sprich der Staat solle schwach sein, der Markt solle allwirksam, der Konsum unbegrenzt sein, aber er soll auch [weiter] wachsen, und an der Staatsverschuldung sollen wir eher verdienen, anstatt dass sie es versuchen würden zu verhindern, dass sie sich verselbständigt bzw. [uns] über den Kopf wächst.

Nun, verehrte Damen und Herren!

Wenn Ungarn, wenn die ungarische Nation ihre Zukunft sucht, dann muss vor unseren Augen ein alter ungarischer Reflex erscheinen. Wie war es früher, als sich Zeitenwenden in der Welt ereigneten? Wie hat Ungarn die passende Richtung gesucht, die für die Definition der richtigen Richtung notwendigen Werkzeuge? Ist es nicht so, dass der ungarische – aber ich kann ruhig auch sagen, der mitteleuropäische – Reflex so funktioniert hat, dass man den Westen beobachten musste? Man musste die westlichen Lösungen verstehen, das ist ein seit Széchenyi bekannter Reflex, wir müssen die westlichen Lösungen verstehen, wir müssen sie auf Ungarn umsetzen, und dann haben wir die Richtung, und haben wir die brauchbaren Werkzeuge.

Heute aber ist die Lage so, dass die Fackeln derjenigen, denen wir folgen könnten, erloschen sind. Also der Ausweg aus der Krise, das Rezept für die richtige Einstellung auf die Zeitenwende, ist im Westen nicht zu bekommen. Es sieht sogar danach aus, als dass wir ein, zwei Schritte schneller Lösungen finden, die der Westen dann von uns übernimmt. Ich sage ihnen ein, zwei Beispiele hierzu. Hier ist dieser Streit um das ungarische Mediengesetz. Ich beobachte die Britischen Nachrichten, und schließen Sie ruhig große Wetten darauf ab, dass die in Großbritannien bald kommende neue Medienregulierung unheimlich [gespenstisch] der ungarischen ähneln wird. Sehen Sie sich die Frage nach der Bankenabgabe an. Wir waren die ersten, heute ist sie in mehr als einem Dutzend Europäischer Staaten üblich. Einige Formen der Krisensteuer, für die wir im Übrigen fortwährend kritisiert wurden, werden in immer mehr Staaten eingeführt. Die Rücknahme des Rentensystems, die in Ungarn mit großem Erfolg abgeschlossen wurde, haben alle mitteleuropäischen Länder probiert, die ein solches System hatten wie Ungarn, und sie sind auch in gewissem Maß davon zurückgekommen, aber keiner hatte [eine] Zweidrittel[mehrheit], um es so fertigzubringen wie wir.

Nach uns die erfolgreichsten sind die Bulgaren, die auch politisch die stärksten sind, sie werden in fünf Jahren dort sein, wo wir heute sind, die übrigen aber konnten sich nur teilweise erholen [zurückschreiten]. Ich will damit sagen, wenn sich Mitteleuropa in der neuen Welt einrichten und sich niederlassen will, dann funktioniert die einfache Lösung von früher nicht, nämlich die westlichen Lösungen zu verstehen und zu übernehmen. Mitteleuropa muss mutig eine herausgehobene Vorreiterrolle [Pionierrolle] wagen.

Verehrte Damen und Herren! Natürlich ist der Zusammenbruch der alten Welt ein großes, gefährliches Phänomen, auch wenn ein solcher Zusammenbruch Ungarn derzeit nicht gefährdet; aber wenn allzu mächtige Staaten in Schwierigkeiten geraten, dann kann selbst der Wind[stoß] ihres Zusammenbruchs Ungarn umwerfen. Deshalb müssen wir uns in möglichst hohem und schnellem Tempo aus dieser Gefahrenzone entfernen. Vor einem Jahr stand Ungarn noch im Epizentrum der Gefahrenzone, heute sind wir nicht mehr dort, wir entfernen uns, aber wir sind immer noch in der Gefahrenzone.

Zugleich möchte ich Ihnen sagen, dass man den Zusammenbruch der alten Welt nicht bedauern muss. Nicht wir haben ihn hervorgerufen, wir haben keine Verantwortung dafür, trotzdem sind wir als erste zusammengebrochen 2008, aber niemand kann sagen, wir hätten die anderen mit uns gerissen, also unser Gewissen ist rein. Wir haben sie nicht zusammenbrechen lassen, und man muss sie auch nicht bedauern, weil die alte Welt meiner Meinung nach eher ein Gefängnis war, als Heimat, aber seien wir verständnisvoll, mindestens war sie eine Zwangsunterkunft für die ungarische Nation.

Das heißt, der rote Faden meines heutigen Nachdenkens über die Nation ist, dass die ungarische Nation sich nicht vor der Veränderung fürchten darf; was es wert war, das können wir retten, und zugleich können wir hier, im Schatten der großen Weltordnung, Ungarn auf einen neuen, eigenen Weg bringen, die gesamte ungarische Nation, wie Széchenyi sagte, ich versuche ihn genau zu zitieren: „ich wollte schon immer, dass Ungarn sich um seine eigene Achse dreht“. Diese Lage können wir hervorrufen.

Nun, ich will nicht sagen, dass wir das Schlimmste geschafft hätten, denn noch warten schwere und harte Zeiten auf Ungarn und folglich auf die Volksgruppen [Nation-Teile] jenseits der Grenze. Es genügt, sich die Größenordnung der öffentlichen Zuwendungen aus dem Haushalt anzusehen: Ein Land in solchen Schwierigkeiten wie Ungarn kann selbstverständlich nicht solche Mittel zur Verfügung stellen wie es sie sonst gerne würde, jedenfalls kann es das jetzt noch nicht, später wird dies freilich gelingen. Der Kern der Sache, meine verehrten Damen und Herren, ist, dass die ungarische Nation in dieser Umgestaltung einen einmaligen Gesinnungswandel vollziehen muss, etwa in dem Sinne, wie es László Tőkés hier angesprochen hat; die ungarische Nation sollte sich einfach ganz anders benehmen, wie man zu Hause sagt: als selbstbestimmter Mensch, wir sollten das Bild einer selbstbewussten und selbstbestimmten Nation in Zusammenhalt und Eintracht abgeben. Und wenn wir nun im Lichte des Gesagten die Antwort auf die Frage suchen –was vielleicht auch ein Gedanke der Akademie und der Veranstaltung ist – ob nun zusammenwächst, was zusammengehört, dann kann ich als die konkreteste Schlussfolgerung dieser großen Zeitenwende folgendes zusammenfassen.

Zuerst einmal kann in dieser Zeit des epochalen Wandels geschehen – und wenn wir es gut machen, wird es geschehen – dass die ungarische Nation zusammenwächst. Ein Ausdruck dessen war die Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft, ein Zeichen dafür ist die Transsylvanische Nationale Ungarische Arbeiterschaft, die ungarische Wirtschaft und die rumänische Wirtschaft, die ungarische Wirtschaft in Rumänien, das Geistesleben in Ungarn, das ungarische Geistesleben in Rumänien bzw. im Karpathenbecken, und die Zusammenführung des ungarischen Geisteslebens in anderen ungarischen Gemeinschaften wird gerade vollzogen. Ein kleines Beispiel [ist], es weist aber die Zukunft, dass die Mitglieder der Ungarischen Künstlerakademie glücklicherweise zu einem Viertel aus den Gebieten außerhalb unserer Grenzen stammen. Solche spartenweisen Kooperationen kommen zu Stande. Wir werden den Imre-Mikó-Plan mit dem Neuen Széchenyi-Plan zusammenfügen, wir können also jetzt die Bausteine des spartenweisen Zusammenwachsens der ungarischen Nation sehen. Da verstehen wir, warum Ungarn, warum die ungarische Regierung hartnäckig dafür gekämpft hat und kämpft, dass Rumänien und damit gleichzeitig auch Bulgarien Teil des Schengenraums [-gürtels] werden. Vielleicht ist dieses verdammt große Engagement, das wir in dieser Sache zeigen, nicht immer zu verstehen, und in der Sache gibt es zweifelsohne Solidarität, aber es gibt auch ein Eigeninteresse. Sehen wir uns an, was geschehen ist, als die Slowakei und auch Ungarn Teil des Schengenraumes geworden sind. Ohne jeden politischen Streit, also ohne es zu überpolitisieren, konnten wir uns in der Slowakei darauf einigen, dass meiner Erinnerung nach um die 120 Grenzübergänge geschaffen wurden. Das heißt mindestens 120 solcher Punkte, wo man ohne jedes Hindernis zwischen dem slowakischen und ungarischen Staatsgebiet kommen und gehen kann. Wenn Rumänien in den Schengenraum eintritt, müssen mindestens fünfzig solcher Punkte zustande kommen, und ohne jede Diskussion werden sie nach normalen Umständen auch zustande kommen. Und weil auch wir entlang der Grenze liegen, werden sinngemäß diese Übergangspunkte, wird diese Art von organischem, auf der Ebene des alltäglichen Lebens stattfindendem Zusammenwachsen auch die ungarische Nation stärken.

Wir dürfen auch das Zusammenwachsen von Mitteleuropa zu unseren Vision zählen. Wenn alle mitteleuropäischen Staaten, und wir sprechen jetzt vor allem von den vier Visegrád-Staaten, zur rechten Zeit erkennen, dass die jetzt beginnende wirtschaftliche Ära in Europa nicht im Westen stattfinden wird sondern in Mitteleuropa, was ich fest glaube, dann kann eine nie gesehene, enge mitteleuropäische Zusammenarbeit zu Stande kommen.

Denken wir daran, dass schon vor der Finanzkrise von 2008 das innereuropäische Wirtschaftswachstum in Mitteleuropa bei weitem am stärksten war, aber so, dass Ungarn nichts beisteuern konnte, ja sogar etwas davon weggenommen hat.

Seither ist Ungarn in besserer Verfassung, deshalb kann ich ruhig wagen zu verkünden, dass in der Zeit nach der wirtschaftlichen Wende der Schwerpunkt des wirtschaftlichen Wachstums in der EU in Mitteleuropa liegen wird, und das wird durch den äußerst glücklichen Umstand ergänzt, dass auch die Deutsche Wirtschaft sich in Richtung Mitteleuropa orientieren wird, weil sie ihre Produktionskapazitäten hierhin auslagert und in Folge die Ausfuhrerfolge des deutschen Exportweltmeisters die wirtschaftliche Lage Mitteleuropas nicht schwächen, sondern auf Grundlage der ausgegliederten Produktion ausdrücklich stärken werden.

Das kann man von den südlichen und westlichen Teilen des europäischen Kontinents nicht behaupten. Hier können wir also Zeugen eines fantastischen mitteleuropäischen Aufschwungs werden, und wenn die mitteleuropäischen Staaten dies erkennen, dann können sie eine nie gesehene Zusammenarbeit zustande bringen und damit eine sehr starke europäische Wachstumszone zwischen dem Baltikum und der Adria erschaffen. Meine Überzeugung ist, auch wenn wir von zusammenwachsen nicht sprechen können, dass in unserem Bereich die Zusammenarbeit zwischen den Demokraten erstarken wird. Dabei denke ich insbesondere an die Demokraten mit patriotischer Gesinnung.

Hier haben wir zum Beispiel Rumänien, ein gutes Beispiel. Wir konnten dem Vortrag von László Tőkés entnehmen, wie viele Sorgen es gibt zwischen der derzeitigen Rumänischen Regierung und der hier lebenden Ungarischen Gemeinschaft. Aber stellen Sie sich vor, wenn nicht eine national ausgerichtete Regierung in Rumänien wäre, sondern auch hier die Internationalisten zurückkehren würden, was wir dann für Konflikte hätten! Stellen Sie sich vor, wenn die Rhetorik des heutigen Rumänischen [politischen] Gegners und seine politische Richtung auf Regierungsebene wahr gemacht würden, welch Größenordnungen von Problemen wir uns dann gegenübersähen! Deshalb ist meine Überzeugung, dass die Zusammenarbeit der national verwurzelten Demokraten unabhängig von den üblichen nationalen Gegensätzen in den vor uns liegenden zwei Jahrzehnten erstarken wird.

Verehrte Damen und Herren!

Was jedoch die konkrete ungarische Agenda betrifft, so muss man in Ungarn die Staatsverschuldung zurückbezahlen. Das [aber] hängt mit den nationalen Kraftreserven [Kraftzustand] zusammen, wir müssen ein Zentrum der europäische Produktion schaffen, müssen Ungarn re-industrialisieren. Diese Themen erwähne ich im Zusammenhang mit der nationalen Politik, weil wir in den vergangenen Jahren lernen konnten, dass wenn es kein starkes Vaterland gibt, dann gibt es auch keine starke ungarische Nation im Karpathenbecken. Daher ist eine starke ungarische Nation im Karpathenbecken das A und O [Alpha bis Omega], ist Ausgangspunkt für das Zentrum des ungarischen Siedlungsgebiets bzw. für die Stärkung Ungarns, für die Schaffung von Erfolg und die Rückkehr des Ansehens. Wenn das gegeben ist, dann können wir zum Wohle der jenseits der Grenzen lebenden ungarischen Gemeinschaften eine wahrlich wohltätige, stärkende Wirkung entfalten.

Ich möchte das Gesagte damit beschließen, dass alles, was ich hier vor Ihnen skizziert habe, [also] das Drehbuch für den zukünftigen Erfolg Ungarns bzw. dessen Umsetzung kein Siegeszug sein wird, sondern eine Ära, die mit schwerwiegenden Auseinandersetzungen und Zusammenstößen gesprenkelt sein wird. Denken Sie daran, wenn wir über die Umwandlung, Erneuerung und Neustrukturierung Ungarns sprechen, wenn wir aus dem Verständnis der Zusammenhänge der hier beschrieben Zeitenwende die Aufgaben ableiten, dann bitten wir die Menschen tatsächlich darum, beeinflussen wir sie dahingehend, dass sie ihre persönlichen und familiären Lebensstrategien ändern sollen. Das ist nicht so einfach. Ich nenne einige Beispiele. Lebensentwürfe gründen sich darauf, dass Menschen zu Hunderttausenden aus dem Arbeitskräftemarkt fliehen. Das können wir auch Invalidenrente nennen, oder auch vorzeitige Verrentung, es gibt mehrere technische Lösungen, aber das Wichtige daran ist: die Lebensentwürfe von Menschen und Familien waren darauf aufgebaut, dass nicht Hunderttausende von Ungarn in den Arbeitsmarkt hineingehen, sondern herauskommen, und damit besser dastehen, als wenn sie ansonsten arbeiteten. Oder Lebensstrategien fußten in ähnlicher Weise zu Hunderttausenden darauf, ein Familienleben auf Grundlage von Sozialleistungen zu führen. In Ungarn gibt es Familien, wo das Familienoberhaupt seit fünfzehn, zwanzig Jahren nicht mehr zur Arbeit gegangen ist. Es wachsen Generationen auf, die weder ihren Vater noch ihre Mutter je haben morgens früh aufstehen und zur Arbeit gehen sehen, um das Einkommen für die Familie zu verdienen, sondern die zu Hause geblieben sind und auf die Stütze gewartet haben. Daran muss man etwas ändern, dass muss man umgestalten. Niemand ist froh darüber, dass jetzt jemand kommt, egal wie sehr er Recht hat in Bezug auf die ungarische Sichtweise oder auf die Zeitenwende in großer Dimension, und der sagt, meine Herren, das kann man so nicht weiterführen. Diese Veränderungen setzen den Familien zu, sie verlangen Umstellung und Kraftanstrengung, und zehren freilich auch an der Gesellschaft. Das auf Schwarzmarkt und Schattenwirtschaft [schwarze und graue Wirtschaft] gegründete Dasein ist nach einem Umbau, den Ungarn nötig hat, nicht mehr fortführbar. Insgesamt muss ich aber neben all den Schwierigkeiten sagen, dass in der vor uns liegenden Zeitenwende, einschließlich unserer eigenen Leben, dass das Erstarken der Nation nicht eine Möglichkeit ist, sondern eine Notwendigkeit und dass sie unabwendbar eintreten wird.

Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, für die Handlung[sfähigkeit] aufstrebender Staaten, für den Erfolg in ganz Europa wird das Erstarken der Nation sein. Die Zeitenwende, damit auch die Veränderung unseres Lebensstils, wird in der gesamten westlichen Welt die Wiedergeburt der Nation mit sich bringen.

Ich danke Ihnen für die freundliche Aufmerksamkeit.

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Quellen:
(1) http://www.tusvanyos.ro/index.php?cmd=cikk&id=00203
(2) http://www.youtube.com/watch?v=wvlKBbjq6BQ
(3) http://stargarten.files.wordpress.com/2011/08/tusvanyos1.pdf
(4) http://stargarten.wordpress.com/2011/08/10/ungarns-groser-sprung-nach-vorn/
(5) Die besondere Gefahr dieser Rede liegt darin, dass sie – obwohl an manchen Stellen mit der Realität nicht das wenigste zu tun hatzum Teil aus realen Problemen ausgeht, und dass sie auch ein Programm, und zwar ein ultranationalistisches Programm darlegt. In anderen Worten: obwohl Orbáns Diagnose teilweise richtig ist, die vorgeschlagene Therapie ist total falsch und lebensgefährlich. Das Programm von Tusványos ist zwar undurchführbar, jedoch besteht die Gefahr, dass Orbán einmal die Zeit gekommen sieht anzufangen es zu verwirklichen. Nachdem es im Programm um eine starke und einige Nation, als Voraussetzung eines starken Staates der auf Arbeit gegründeten Gesellschaftsordnung geht, und nachdem die Nation in der Orbanschen Rhetorik grenzenübergreifend definiert wird, wird ein Versuch das Programm zu verwirklichen zu gefährlichen Konflikten mit dem Nachbarstaaten führen. Der einzige Ausweg aus dieser Falle ist, dass die EU sich endlich stark macht, nicht mehr schweigt, und nicht mehr akzeptiert, dass innerhalb ihrer eigenen Grenzen einen Staat gibt, der gemeinsame europäische Werte missachtet. (Eine Bemerkung von Antifa-Hungary.)

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