“The world is a dangerous place to live in; not because of the people who are evil, but because of the people who don’t do anything about it.”
(Albert Einstein – refugee from Nazi Germany)

Tuesday, February 23, 2010

Aufmarsch


Die rechte Gefahr aus Osteuropa

Gregor Mayer und Bernhard Odehnal zeigen in dem soeben erschienenen Buch die erschreckende Ausbreitung des Rechtsextremismus in den mittel- und osteuropäischen Ländern.
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Die beiden Autoren schildern die Lage in sechs Staaten: Ungarn, Tschechien, Slowakei, Kroatien, Serbien und Bulgarien.

Besonders spitzte sich in den letzten Jahren die Situation in Ungarn zu. Die rechtsextreme Partei Jobbik (auf deutsch: die "Besseren") erhielt bei den Europawahlen im Vorjahr 15 Prozent der Stimmen und damit drei Abgeordnete. Bei den in Bälde stattfindenden Wahlen zum ungarischen Parlament werden ihnen in Meinungsumfragen und Prognosen rund acht Prozent gegeben, womit sie den Sprung ins Parlament schaffen würden.

Jobbik hat sich zu einem richtigen "System "entwickelt: es umfasst Jugendorganisationen ebenso wie die - zwar verbotene aber weitermarschierende - "ungarische Garde" ( S.71 ).

Hass auf Roma (bis hin zum Mord) und Antisemitismus sind die ideologischen Leitsterne der "Besseren".

Gregor Mayer schildert die Genese des "Erfolgs" von Jobbik und den nationalistischen Sockel auf dem die heutigen Rechtsextremen aufbauen konnten und können: das weitgehende Unverständnis der Revolutionäre von 1848 für die von den Ungarn unterdrückten Nationen (Kroaten, Rumänen,Serben); das "Trauma" von Trianon 1920, bei dem Ungarn zwei Drittel seines Vorkriegsterritoriums einbüßte (S.22).

Nach der Befreiung 1945 (zuerst das Horthy-Regime, dann ab 1944 die faschistische Pfeilkreuzler-Herrschaft von Hitlers Gnaden) wurden im "realen Sozialismus" zwar deren Verbrechen angeprangert, der Holocaust jedoch kaum problematisiert.

Auf der Basis dieses unaufgearbeiteten historischen Schutts konnte Jobbik die Unzufriedenheit über aktuelle soziale, wirtschaftliche und politische Zustände auf "Juden und Zigeuner" projizieren- im Bunde und gefördert durch den " Dammbrecher" Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz (S.33 ff. ).

Die Grenzen des Buchs zeigen sich dort, wo es um die Gründe für diese Unzufriedenheit geht. Die "Reformmaßnahmen "der diversen ungarischen Regierungen, also deren prokapitalistische Sozialabbau -Konzepte, werden als unerlässlich eingestuft. Deren" Verschleppung" beklagt (S.41). Im Geleitwort von Paul Lendvai ist sogar generell von "unbestrittenen Erfolgen der neuen Mitglieder der Europäischen Union auf dem Wege zu einer Marktwirtschaft" die Rede (S.7). Diese Schieflage zieht sich durch das ganze Buch.

Die Analyse der Autorinnen geht nicht tief (so fehlen etwa genauere Wählerstromanalysen), völlig unzulänglich sind die vorgeschlagenen praktischen Schritte gegen die extreme Rechte: sie erschöpfen sich im wesentlichen in Aufklärung, staatlichen Maßnahmen, etwas mehr Zivilcourage und Hoffnung auf die EU: "Wir teilen einen gewissen Werte- und Ideenkanon" (S. 16). Dass es gerade der Einfall eines Ausplünderungs-Kapitalismus in Mittel- und Osteuropa nach der "Wende" ist, der den gesellschaftlichen Nährboden für das Ansteigen der rechtsextremen und zum Teil offen faschistischen Woge darstellt, wird nicht zum Thema.

Ich denke, man/ frau sollte sich das Buch als durchaus informatives "Sachbuch" geben: um über die - gerade verbotene, aber ebenfalls weiteragierende - rechtsextreme "Arbeiterpartei" in Tschechien, über die Ustascha-Nostalgiker in Kroatien oder die bulgarischen Neofaschisten etwas zu erfahren. Und sich darüber, was an - greifender - Praxis gegen den Rechtsextremismus notwendig ist, selbst einen Reim machen.

Hermann Dworczak ( 0676 / 972 31 10 )
Gregor Mayer
Bernhard Odehnal
Aufmarsch
Die rechte Gefahr aus Osteuropa.
Mit einem Geleitwort von Paul Lendvai,
Residenz Verlag. St. Pölten - Salzburg. 297 Seiten

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