Warum der „Tag der Ehre“ in Budapest vom 13. Februar auf den 06. März verschoben wurde
Neben Dresden richtet man alljährlich seine Aufmerksamkeit auf das internationale „Blood & Honour“ Treffen in Budapest. Auf Bitten ihrer deutschen Kameraden, die am „Trauermarsch zum Bombenholocaust“ in Dresden teilnehmen wollten, verschoben jedoch dieses Jahr die ungarischen Neonazis ihre Gedenkveranstaltung um drei Wochen. Weil in den letzten Jahren immer wieder führende Nazi-Größen in der ungarischen Hauptstadt eintrafen, erhofft man jetzt ebenfalls hochrangigen Besuch. Nach Dresden ist Budapest inzwischen zum Schauplatz des zweitgrößten Nazi-Aufmarsches in Europa geworden.
Die seit 1997 von der „Blood & Honour Hungaria“ organisierte Gedenkfeier wird „Tag der Ehre“ genannt. Am 11. Februar 1945 versuchten mehrere zehntausend deutsche und ungarische Soldaten den Ausbruch aus der von der Roten Armee eingekesselten Burg von Budapest, aber die deutsch-ungarischen Frontlinien erreichten nur siebenhundert. Die Mehrzahl starb oder wurde gefangen genommen. Die „Gedenkfeier“ fand in den letzten Jahren inmitten von Budapest, auf dem Heldenplatz statt.
Die Organisatoren dürften rechtlich gesehen gar nicht mehr existieren. Es sind immer wieder „Blood & Honour Hungaria“ Transparente zu sehen, aber die Bewegung wurde – wie in den anderen Ländern Europas - im Oktober 2005 auch in Ungarn rechtskräftig aufgelöst. Der Antrag für die Veranstaltung wird deshalb seit Jahren „von einer Privatperson“, nämlich von János Endre Domonkos eingereicht, der an verschiedenen anderen national-sozialistischen Veranstaltungen in Ungarn als der Führer von „B&H Hungaria“ oder als der von „Pax Hungarica“ auftritt. Zu diesem „juristischen Dreh“ kommt hinzu, dass die Polizei letztes Jahr „das Hausrecht“ im öffentlichen Raum am Heldenplatz „den Organisatoren“ überließ, das heißt, dass nicht die staatliche Instanz, sondern jene „Organisatoren“ bestimmten, welche Journalisten die Absperrzone zwischen den zwei Kordonen betreten durften, was ein Schlag ins Gesicht des Rechtsstaates und der Demokratie war.
Trotz eisiger Temperaturen versammelten sich letztes Jahr etwa zweitausend Skins aus ganz Europa, unter ihnen Ehrengäste wie Stephen Swinfen („B&H England“) und Ralf Tegethoff aus dem Rheinland. Neben ihm waren weitere Aktivisten aus Deutschland angereist, wie an Transparenten wie „Kameradschaft Nürnberg“, „Deutsch-Ungarischer Freundeskreis“ oder „Frontstadt München“ unschwer zu erkennen war, hinter denen neben anderen Matthias Fischer und Norman Bordin schritten. Alle Redner betonten die Notwendigkeit des internationalen Zusammenhalts der „nationalen Sozialisten“ und lobten auch die national-sozialistische Mentalität in Ungarn, die eine solche Veranstaltung ermögliche. In den meisten europäischen Ländern sei so ein Gedenktag wie der „Tag der Ehre“ nur eine Utopie.
In der Tat ist national-sozialistisches Gedankengut in Ungarn ziemlich weit verbreitet. Auch im Zusammenhang mit dem so genannten „Tag der Ehre“ gibt es keine reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die Geschehnisse werden allgemein in der Weise vermittelt, dass der Gesamtkontext ausgeblendet und auf dieses eine Thema, nämlich auf die Belagerung von Budapest durch die Rote Armee fixiert wird, wodurch ein verzerrtes Bild der Geschichte entsteht. Nirgends wird in diesem Zusammenhang darüber gesprochen, dass im Sommer 1944, also nur etwas mehr als ein halbes Jahr zuvor, wie durch ein logistische Wunder binnen acht Wochen beinahe eine halbe Million ungarischer Juden und Jüdinnen deportiert wurde und dass die ungarischen Faschisten, die Pfeilkreuzler um die Jahreswende 1944/ 1945 herum, also nur einige Wochen zuvor, zehntausende ungarische Juden und Jüdinnen am Ufer der Donau erschossen, so dass ihre Leichen in den Fluss fielen.
Selbst der Bürgermeister des 1. Stadtbezirks von Budapest, Gábor Támas Nagy (Fidesz) und der Generalleutnant a. D. Ferenc József Holló, Direktor des Militärhistorischen Museums in Budapest, vor dessen Gebäude wie immer, so auch in diesem Jahr am 12. Februar eine „feierliche Kranzniederlegung“ stattfand, hielten Reden, in denen sie an den „Ausbruchsversuch der deutsch-ungarischen Garnison aus dem Budapester Kessel“ erinnerten. Dass damit verharmlosend Einheiten der Waffen SS gemeint sind, erwähnte von Ihnen auch niemand. Das Stilisieren von Ungarn zu alleinigen Opfern des Krieges hat im Land weit durch „bürgerliche“ Kreise hinaus Konjunktur.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die geschichtsverdrehende Sichtweise zur Relativierung des Holocaust und zur antisemitischen Agitation verkommt.
Dass die Belagerung und der Ausbruchsversuch grausam waren, ist keine Frage. Doch diese Ereignisse werden nicht im Zusammenhang des gesamten Weltkrieges gesehen. Neonazis stellen die Bevölkerung des belagerten Buda und die militärischen Einheiten als unschuldige und alleinige Opfer der Grausamkeiten der Roten Armee dar und blenden den gesamten historischen Kontext aus. Dadurch soll die eigene Verantwortung am ungarischen Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg abgewiesen werden.
Dieses Jahr war die Budapester Polizei ernsthaft gewillt, die Gedenkveranstaltung „Tag der Ehre“ zu verbieten, doch es gelang den Neonazis, wie es scheint, die Behörden wieder einmal auszutricksen. Da es in Ungarn Anfang April Wahlen gibt und Veranstaltungen, die als Teil der Wahlkampagne deklariert werden, nicht verboten werden können, gründeten sie in Eile eine neue Partei mit dem Namen „Nationale Revolutionäre Front“. Diese Partei ist es, die den verschobenen „Tag der Ehre“ als Organisator für den 06. April anmeldete. Die Frage jedoch, warum ihr die Polizei gleich den gesamten Heldenplatz zur Verfügung stellte, muss vorerst dahingestellt bleiben. Jedenfalls sollen viele deutsche Neonazis bereits dabei sein, Billigflüge nach Budapest zu buchen.
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